Neben den Verträgen die die Europäische Union und deren Funktionsweise regeln, haben die europäischen Institutionen in verschiedensten Bereichen zahlreiche Verordnungen und Richtlinien erlassen. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist eingesetzt worden, um die Achtung des europäischen Rechts zu gewährleisten. Dieser Gerichtshof ist heute die höchste Gerichtsbarkeit der Union.
In seiner Rechtssprechnung muss sich der Kassationshof an die Rechtsprechung des EuGH halten. Wenn der Kassationshof mit einer Angelegenheit befasst ist, die eine Frage der Auslegung des Unionsrechts aufwirft und der EuGH sich dazu noch nicht geäußert hat, muss er, um diese Frage zu entscheiden, Letzterem eine Vorfrage stellen. In diesem Fall muss der Kassationshof die Angelegenheit ausstellen bis der EuGH die Frage beantwortet hat. Die Antwort des EuGH bindet den Kassationshof. Die Vorlagepflicht verlangsamt gewiss den Ablauf des Gerichtsverfahrens, dennoch ist sie für die Einheitlichkeit des Rechts in Europa unabdingbar. Der Kassationshof ist nur dann von der Vorlagepflicht entbunden, wenn die korrekte Anwendung der unionsrechtlichen Bestimmung derart offenkundig ist, dass sie keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel über ihre Deutung lässt (acte clair) ; der Hof stellt ebenfalls keine Vorfrage, wenn die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war (acte éclairé).
Die Rechtsprechung des Kassationshofes muss mit derjenigen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte übereinstimmen.
Es ist nicht möglich, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Vorfrage sensu stricto zu stellen. Dennoch bietet das am 1. August 2018 in Kraft getretene Protokoll Nr. 16 zur Menschenrechtskonvention den höchsten nationalen Gerichtsbarkeiten die Möglichkeit, Stellungnahmen über Grundsatzfragen bezüglich der Auslegung oder der Anwendung der im Vertrag und seinen Protokollen enthaltenen Rechte einzuholen. Belgien hat dieses Protokoll unterzeichnet, bisher aber nicht ratifiziert.
Schließlich gibt es in Belgien einen Verfassungsgerichtshof, der insbesondere über die Konflikte zwischen der Verfassung und den Gesetzen und Dekreten entscheidet, ebenso wie über die Konflikte zwischen Dekreten. Wenn in einer Angelegenheit ein solcher Konflikt aufgeworfen wird, muss der Kassationshof dem Verfassungsgerichtshof in der Regel eine Vorfrage stellen , um die Widersprüchlichkeit zu lösen. Der Verfassungsgerichtshof ist ebenfalls zuständig, um per Entscheid die teilweise oder vollständige Annulierung eines Gesetzes, eines Dekretes oder einer Verordnung auszuprechen.
Der Kassationshof unterhält regelmäßige bilaterale Kontakte mit den obersten Gerichtshöfen der Nachbarstaaten, wie dem französischen Kassationshof und dem niederländischen Obersten Gerichtshof Hoge Raad.
Darüber hinaus vertreten mehrere Magistrate des Sitzes den Hof in Beratungsorganen und Gruppierungen.